erzwungenes Verhalten

Wie bereits erwähnt machen negative Erfahrungen verschiedene Entwicklungsstufen durch. Ab einer bestimmten Entwicklungsstufe ist das mit einer negativen Erfahrung verbundene Verhalten erzwungen. Man kann es dann nicht mehr einfach beenden.

Dazu zwei Beispiele:

Nehmen wir an, ein Mensch ist übergewichtig. Nun versucht er das zu ändern durch eine Diät: Er versucht weniger zu essen. Das klappt nicht so richtig, er strengt sich noch mehr an usw.

Hintergrund (beispielhaft): Die eigentliche Ursache ist Sucht: Essen wird als Ersatzbefriedigung missbraucht. Der Mensch nimmt aber einfach an, sein Körper würde zu viel haben wollen und anstatt sich den Gefühlen hinter der Sucht zu stellen, beginnt er gegen die Sucht zu kämpfen.

In der Folge entwickelt sich eine negative Erfahrung, die folgendermaßen aussieht:

Immer weniger Essen, macht immer mehr dick.

Diese Entwicklung ist inzwischen von der eigentlichen Ursache - dem Suchtverhalten - vollkommen losgelöst, denn das Hungern setzt nicht da an, wo die Sucht ist, sondern wo es um die normale Nahrungsaufnahme geht.

Irgendwann isst unser Beispielmensch fast überhaupt nichts mehr und wird trotzdem immer dicker und dicker. Der Körper verwertet die Nahrung auf eine absolut extreme Weise.

Nebenbei bemerkt ist das eine Erfahrung, die nahezu alle Menschen in zumindest abgeschwächter Form kennen.

Die Idee: "Mein Körper will zu viel bzw. mehr als für ihn gut ist"

Das Verhalten: Ein ständiger Kampf gegen den Appetit, von dem angenommen wird, das er mehr will, als für den Körper gut ist.

Die Verhaltensänderung, um die es geht: Mit den Diäten aufhören und zum natürlichen Essverhalten entsprechend dem Appetit zurückkehren.

Ab einer bestimmten Stufe der Verwirklichung dieser Erfahrung geht das aber nicht mehr vollständig.

Würde man das tatsächlich tun, würde man immer mehr aus dem Leim gehen. Man ist nun "in einem gewissen Umfang" zum Hungern gezwungen.

Die Lösung ist, die dennoch vorhandenen Freiheitsgrade zu verwenden, "ein bisschen mehr" nach Appetit zu essen. Die Erfahrung kann sich in einem längeren Prozess zurückbilden, aber eine Rückkehr zum natürlichen Verhalten ist hier nicht mehr auf einen Schlag möglich.

Beispiel 2:

Ein Mensch glaubt (wie viele andere auch): "Mit dem was ich wirklich will, kann ich kein Geld verdienen. Ich muss einen Job machen, den ich hasse, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen."

Wenn die damit verbundene Erfahrung erst einmal zu einem gewissen Grad verwirklicht ist, kann auch hier keine sofortige Rückkehr zum natürlichen Verhalten mehr erfolgen.

Diese Rückkehr kann dann nur in vielen kleinen Schritten erfolgen: Immer ein bisschen mehr Träume verwirklichen, immer ein bisschen weniger Scheiß-Jobs machen. Aber es geht nicht mehr auf einen Schlag.

Warum erzähle ich das hier?

In den letzten Kapiteln ging es um verhaltensrelevante Gefühle und nicht verhaltensrelevante Gefühle.

Die verhaltensrelevanten Gefühle verstärken sich solange immer weiter, bis eine Verhaltensänderung zurück zum natürlichen Verhalten erfolgt.

Und dann gibt es da noch die nicht-verhaltensrelevanten Gefühle. Durch sie kann man einfach hindurchgehen, ohne das Verhalten zu ändern.

Nun ist es normalerweise so, dass verhaltensrelevante Gefühle für eine Umkehr sorgen sollen zurück zum natürlichen Verhalten. Im natürlichen Verhalten begegnet man dann den nicht verhaltensrelevanten Gefühlen, durch die man einfach hindurchgeht, indem man ungeachtet dieser Gefühle beim natürlichen Verhalten bleibt.

Wenn eine Erfahrung aber erst einmal zu einem bestimmten Grad verwirklicht ist, dann kehren sich diese Verhältnisse um!

Gefühle, die normalerweise nicht verhaltensrelevant sind, werden es dann doch.

Noch mal zur Erfahrung des immer weniger essen könnens:

Am Anfang dieser Entwicklung hat man das Gefühl: "Mein Körper will mehr als ihm gut tut." Am Anfang dieser Entwicklung hat man zwar dieses Gefühl, aber es ist nicht verhaltensrelevant! Man könnte einfach beim natürlichen Verhalten bleiben und nach dem Appetit essen.

Wenn diese Erfahrung aber erst einmal zu einem bestimmten Grad verwirklicht ist, dann ist es verhaltensrelevant.

Meine beiden Beispiele beziehen sich beide auf "ein Handeln einstellen" (falsche Anstregungen).

Diese Umkehr der Verhaltensrelevanz gibt es aber auch für den anderen Fall "ein Handeln beginnen" (für die eigenen Träume):

Wenn die Hürden auf dem Weg zur Verwirklichung der eigenen Träume so stark verwirklicht sind, dass sie zu einer materiellen Tatsache geworden sind: Dann wird man am Anfang dieser Entwicklung wieder und wieder gezwungen sein (vorübergehend) aufzugeben. Die mit den Hürden verbundenen Gefühle sind dann verhaltensrelevant (was sie normalerweise bzw. in den frühen Entwicklungsstadien nicht sind).

Wie soll man in all dem eigentlich noch durchsehen?

Ganz einfach: Indem man sich seinen Erfahrungen nebst Gefühlen stellt, wird einem das Richtige schon einfallen.

nächstes Kapitel: zwischen den Gefühlen (Gefühle und Differenzierung)